Wahn aus „Der Hümmling“
aus dem Heimatbuch „Der Hümmling“, Ausgabe 1929
An der Ostseite des Dorfes liegt der „Esch“ (= bebaute Flur), an der Westseite liegen die Wiesen, die man zu den Wiesenflächen des Emslandes rechnet. In der Mitte hat sich das Dorf angebaut; es liegt daher sehr günstig.
Früher hat Wahn einen Herrensitz gehabt. Die Burg muß auf der „Husstehe“, afu der Mitte zwischen den Straßen nach Lathen und Kluse gestanden haben. Der Name des Besitzers ist unbekannt. Folgende Gründe sprechen dafür, daß die Burg an genannter Stelle gestanden haben muß:
1. Zu der Burg führte ein Wagenweg. Dieser geht bei Pohlgehrs von der Lathener Straße ab und läuft an der Stelle, wo die Burg gestanden haben muß, aus. 2. Von der alten Kirche geht ein Fußweg über die „Grundlosen“ auf die alte Burg in gerader Richtung zu. Dieser Fußweg muß mit weißem Sand aufgefahren gewesen sein; denn an verschiedenen Stellen ist in den Grundstücken später noch der Streifen des weißen Sandes beim Umgraben gefunden worden. 3. Der Gutsherr muß in der Nähe seiner Burg das Land kultiviert haben. Später, bei der Teilung der „Pohle“, hat man die Pflugfurchen genau sehen können. Sie laufen auf die Stelle zu, wo die Burg gestanden haben soll. 4. Alte Leute erzählen noch, daß sie auf der „Husstehe“ dicke Feldsteine gefunden haben, die als Grundmauern der Burg gedient haben müssen.
Die Einwohner von Wahn müssen dem Burgherrn leibeigen gewesen sein. Über das Aufhören der Leibeigenschaft wird folgendes erzählt: man hatte oft versucht, das Dorf Wahn von dem Gutsherrn loszukaufen. Als man ihn eines Tages betrunken antraf, hat man ihn überredet, auf folgenden Lösekauf einzugehen: der Gutsherr erhält von der Gemeinde drei himmelblaue Hunde (die man aus Italien holte), zwei Rosenstöcke ohne jeden Ast (man ließ sie durch eine Glasröhre wachsen) und einen Scheffel Goldmünzen.
Eine zweite Burg soll in dem sog. „Bruch“ gestanden haben. Doch dieser Gutsherr muß seine Macht mehr nach Wippingen und vor allem nach Werpeloh ausgedehnt haben. Daher auch wohl die Tatsache, daß heute die Moore und auch die Wiesen an dieser Stelle nach der Markengemeinde Werpeloh gehören, obwohl die Grundstücke ganz nahe bei Wahn liegen.
Die „Tennschüere“ lag mitten im Esch, wo jetzt die Heiligenklause steht. Es muß ein „Koben“ gewesen sein, aus Kluten aufgebaut. In die Scheuen wurde jede zehnte Garbe vom Esch hineingefahren.
In Wahn sollen zwölf große Bauernhofe bestanden haben, alle anderen Bewohner müssen Heuerleute der zwölf Besitzer gewesen sein. Der mildtätige Zug des Mittelalters muß wohl die zwölf Besitzer veranlaßt haben, die „Tennschüere“ zu erbauen. Auf dem Esch blieb zur Erntezeit jede zehnte Garbe stehen. Hatten die Besitzer ihre Ernte unter Dach und Fach gebracht, so wurden von allen gemeinsam die stehengebliebenen zehnten Garben in die „Tennschüere“ gebracht.
Mit diesem Vorrat sollten notleidende Familien und durchziehende Reisende unterstützt werden. Der Verwalter der Scheune war der „Markenvorsteher“. Der Posten war erblich in der Familie Temmen. Später soll die „Tennschüere“ längere Zeit zwei Familien in Sögel gehört haben. Von der Abgabe des „Zehnten“ haben sich die Höfe in Wahn freikaufen müssen. Die „Tennschüere“ soll später abgebrannt sein. Zum Andenken daran wurde die Heiligenklause erbaut.
Die „Friesenschanzen“ liegen liegen auf der großen Besitzung von Temmen an der Straße nach Kluse. Hier soll eine größere Schlacht stattgefunden haben; leider sind schon mehrere Laufgräben durch die Kultivierung zerstört worden.
Die alte Kapelle am Ausgang des Dorfes nach Sögel hin wurde 1670 erbaut. Der Hl. Valentin war Kirchenpatron, das Bild des Heiligen steht in der Klause an der Ostseite. Im Vorraum der Kapelle sollen Zigeuner und Scherenschleifer übernachtet haben, die eines Tages die Kapelle in Brand steckten. Neben der Kapelle steht noch heute ein verschließbarer Opferstock. Die Wahner warfen Geld hinein, wenn sie nach Sögel reisten. Sie glaubten, dann vor Überfall geschützt zu sein.
Früher war Wahn eine Filiale des Kirchspiel Sögel, also eine Kapellengemeinde. Den Kapellendients besorgten Anfangs Kapuzinerpatres aus Clemenswerth bei Sögel. Für den Pater waren eine Wohnung und ein Schlafraum hinter dem Hochaltar eingerichtet. Beim Anbau des neuen Chores im Jahre 1888 fielen diese Räume weg. Später, nachdem das Kloster in Clemenswerth auf viele Jahre aufgehoben und mit zwei Weltgeistlichen besetzt wurde, versahen diese hier den Kapellendienst, bis schließlich ein eigener Vikar angestellt wurde, Vikar Albers. Im Jahre 1868 löste sich die Gemeinde von Sögel ab, und Albers wurde als Pfarrer ernannt, war somit hier der erste Pastor.
Die alte Kirche wurde 1749 erbaut im Anschluß an den Bau des Jagdschlosses Clemenswerth. Über dem Eingang ist das Wappen des Fürstbischofs Clemens August mit Fürstenhut und gekreuztem Stab und Schwert angebracht. Das die Kirche unter Mitwirkung des Bischofs entstanden ist, bewist weiter das Turmkreuz in der Form des Kreuzes des Deutschritterordens, dessen Großmeister Clemens August war. Die Volksüberlieferung berichtet über die Entstehung der Kirche: als das Schloß Clemenswerth vollendet war, sandte der Bischof einen Beamten nach Meppen zum Rentmeister des Münsterischen Emslandes, um 3000 Gulden zu holen. Die Beschaffung des Geldes war dringend. Der Bote kehrte in Wahn beim Bauern Langen ein und klagte über die Schwierigkeit seiner Sendung. Langen wollte dem Beamten den Weg ersparen und zahlte ihm die Summe sofort als Darlehn auf den Tisch. Der Gläubiger stiftete später das Geld zu einem Kirchenbau, und dadurch wurde der Fürstbischof veranlaßt, sich am Kirchenbau zu beteiligen durch Hergabe von Baumaterialien und Zurverfügungstellung des Architekten Schlaun, von Künstlern und Bauleuten. Die Tradition beruht aller Wahrscheinlichkeit nach auf Wahrheit; denn der Name Langen steht unter den Nischenfiguren der Westseite, außer der Jahreszahl 1750. Der Namen Langen ist heute in Wahn ausgestorben.
Am 15. Mai 1900 wütete hier von nachmittags 1 Uhr an ein großer Brand, der 75 Wohnungen einäscherte Kirche, Pastorat und Schule blieben verschont. 1918 war die kleine Kirche dem Untergang geweiht. Die Firma Krupp hatte so gut wie sicher die Enteignung und Niederlegung des gesamten Dorfes erzielt, um den Schießplatz für weittragende Geschütze zu vergrößern. Im Jahre 1925 wurden die kunsthistorische Westfront und der Turm der alten Kirche nebst dem ersten Kirchenjoch abermals gerettet. Der Landeskonservator der Provinz Hannover gab nicht die Genehmigung zum Abbruch der oben genannten Kirchenteile.
Der Neubau unsere Kirche, ausgeführt vom Architekten Wartenberg, gleicht im Äußeren den wohlbekannten Ziegelrohbautne in Münster nach den Barockmeistern Pistorius und Schlaun. Kirche und Altteil entsprechen sich in der Bauweise. Der hochstrebende Neubau hebt sich aber eigenartig ab von den stehengebliebenen und eingebauten Teilen der alten Kirche. Leider konnte ein Turm wegen Geldmangel noch nicht errichtet werden.
Um 1913 kaufte Rechtsanwalt und Notar Schlicht aus Sögel in der Gemarkung Wahn gegen 400 Morgen Heideland in zusammenhängender Fläche und legte dort das Gut „Hohe Heide“ an, 3/4 Stunde südöstlich von Wahn gelegen. Das Umbrechen des Heidelandes geschah mit dem Dampfpflug. Viele Wahner Landwirte folgten dem Beispiele und ließen größere und kleinere Fläche Heide umpflügen.
Am 23. November 1917, um die Mittagszeit, schlug ein 24-cm-Geschoss vom Schießplatz Krupp 58 Meter von der Schule entfernt in einen Nachbarhof ein, ohne weiteren Schaden anzurichten. Auch das alte Pastoratsgebäude traf ein Geschoß, ohne jemand der Anwesenden zu verletzen.
Zurzeit ist Wahn ein schmuckes Dorf mit massiven Häusern. Die Einwohnerzahl betrug 1925 gegen 900.